Kasperhof in Schuttertal: Der Wurst ins Auge schauen

Gut 400 Jahre alt ist der Kasperhof in Schuttertal bei Lahr. Es ist ein Familienunternehmen, das von Martin Müllerleile in der zehnten Generation bewirtschaftet wird. Der Landwirt und Metzgermeister bietet auch Fertiggerichte an.
Die Zeit vergeht anders auf dem Kasperhof, gemächlicher, großzügiger getaktet. Zumindest hat es an diesem Morgen den Anschein. Und das, obwohl es auf einem Bauernhof schließlich immer etwas zu tun gibt. Hinter der Tür des Bauernhauses richten sich die vier Kinder von Brigitte und Martin Müllerleile für ihren Tag, packen den Rucksack für Ferienjob oder Freizeit – ganz ähnlich, wie in manch’ anderer Familie auch.

Martin Müllerleile scheint an diesem Morgen von nichts getrieben zu sein, sein Händedruck ist fest, sein Blick wach und freundlich. Klar gebe es auch für ihn Tage, die um fünf Uhr in der Frühe beginnen. Aber nicht heute, heute hat er Zeit. Seinen strahlenden Augen ist anzusehen, dass er es genießt, über den Verlauf seines Arbeitstages zu entscheiden.

Kasperhof in Schuttertal

Gut 400 Jahre alt ist der Kasperhof in Schuttertal bei Lahr, ein Familienunternehmen, das von Martin Müllerleile in der zehnten Generation bewirtschaftet wird. Das Bauernhaus, in dem der 56-Jährige mit seiner Frau und den vier Kindern lebt, wurde 1829 von Michael Müllerleile erbaut, wie die Jahreszahl auf dem Querbalken über der Eingangstür verrät. Ihren Altersruhesitz bauten seine Eltern Rita und Anton Müllerleile gleich gegenüber, daran angebaut ist der Hofladen, der 2011 eröffnet wurde.
Wer einen Schwarzwaldhof bewirtschaftet, muss aus der Größe etwas machen“, sagt Martin Müllerleile. Diente der klassische Schwarzwaldhof ursprünglich noch der reinen Selbstversorgung, Knechte und Mägde inklusive, lag der Schwerpunkt seit Mitte des 20. Jahrhunderts in der Milchwirtschaft, unterstützt durch die Einkünfte aus Waldbesitz. „Als ich wusste, ich führe den Hof weiter, haben meine Frau und ich uns überlegt, wo wir unseren Schwerpunkt setzen wollen.“

Das war im Jahr 2000, und für beide stand fest, dass es die Direktvermarktung sein soll. Auf einer Fläche von 50 Quadratmetern verkaufen die Müllerleiles heute das, was ihr Hof hergibt. Betriebswirtschaftlich ausgedrückt würde man es wohl so bezeichnen: die Produktion hochwertiger Waren in einem geschlossenen Kreislauf. Fleisch, Wurst, Schinken, Speck, Geräuchertes – alles stammt von Tieren, die auf dem Kasperhof gelebt haben.

Aus der eigenen Jagd oder von Jägern aus dem Schuttertal kommen Wildschwein und Reh. Veredlung nennt es Martin Müllerleile, wenn er vom letzten Schliff an seinen Produkten spricht. Wurstkonserven etwa werden nicht in der Dose verkauft, sondern im Glas. Und es bleibt nicht nur bei Wurst. „Wir verkaufen komplette Fertiggerichte, wie Gulasch oder Rouladen an unsere Kunden.“

Was die Regale des Hofladens füllt, das bestimmt nicht zuletzt Brigitte Müllerleile

Was die Regale des Hofladens füllt, das bestimmt nicht zuletzt Brigitte Müllerleile. Die Betriebswirtin entscheidet zusammen mit ihrem Mann über die Produktpalette. Mit den Fertiggerichten sprechen die Müllerleiles besonders junge Kunden an. „Für sie ist es nicht zuletzt eine Frage der Ethik, was bei ihnen im Topf landet. Sie legen Wert darauf, dass die Tiere ordentlich aufgezogen wurden und wollen wissen, woher das Fleisch kommt, das sie essen“, nennt Martin Müllerleile einen Grund für die wachsende Nachfrage.

Brigitte Müllerleile (49) entdeckte durch das Leben auf dem Hof ihre Vorliebe zu Kräutern, machte eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin und bietet heute Führungen rund um den Kasperhof an, bei denen sie die Vielfalt und den Nutzen der manchmal recht unscheinbaren Pflanzen erklärt. So stammen die Kräutersalze im Hofladen ebenso von ihr wie das Holzofen- und Bauernbrot, das sie freitags und samstags bäckt. Auch die verschiedenen Marmeladensorten kocht Brigitte Müllerleile selbst aus den Früchten, die sie auf dem Hof erntet. „Was ich nicht sofort verwerte, friere ich ein, um es über das ganze Jahr für unseren Laden zu verarbeiten.“

Nudeln, Honig, Käse, Kartoffeln, Obst, Meerrettich – alles Weitere, was der Kasperhof seinen Kunden anbietet, stammt von Höfen aus der Region. „Man kennt sich eben. Wir kaufen hinzu, was in unser Sortiment passt“, erklärt Martin Müllerleile die Auswahlkriterien.

Selbst an den Absacker ist auf dem Kasperhof gedacht. In der eigenen Brennerei produziert der Vater mit dem Sohn die fruchtigen Schnäpse, vom Mirabellenwasser über den Obstler bis hin zum Schwarzwälder Kirschwasser.

2004 wurde die Milchwirtschaft aufgegeben, um auf Mutterkuhhaltung umzustellen

2004 wurde die Milchwirtschaft aufgegeben, um auf Mutterkuhhaltung umzustellen. Durch Verdrängungskreuzung verschwand die Milchrasse, Martin Müllerleile kreuzte zur Fleischrasse hoch. Konkret bedeutete dies, die Kälber der Milchrasse zu schlachten und die Vatertiere einer Fleischrasse zur Zucht einzusetzen, um nach und nach eine andere Linie in die Herde zu bringen. „Das dauerte schon vier bis fünf Jahre, bis ich die Rasse auf dem Hof hatte, deren Fleisch ich verkaufen wollte“, beschreibt Müllerleile den langwierigen Prozess.

Wie das Fleisch vom Kasperhof sein sollte, davon hatte der Metzgermeister eine genaue Vorstellung. Martin Müllerleile beschreibt es stolz: „Es ist kernig, marmoriert und feinfaserig. Sein Aroma erhält es durch den Weidebetrieb.“ Dass er den Geschmack getroffen hat, bestätigen ihm seine Kunden.

Geschlachtet wird im eigenen Schlachthaus, das Müllerleile mit den Eltern 1998 zusammen mit einem neuen Kühlraum erbaut hat: alle drei bis vier Wochen ein Rind, alle 14 Tage ein Schwein, bei Bedarf auch mehr. Zwischen 20 und 25 Muttertiere leben auf dem Hof, im Schnitt zwischen zehn und zwölf Jahre lang. Tiere, die nicht zur Nachzucht bestimmt sind, werden mit anderthalb bis zwei Jahren geschlachtet.

Daneben beherbergt der Hof fünf Mutterschweine, schwäbisch-hällische Landschweine und deutsche Landschweine gekreuzt mit Pietrain, die im eigenen Sauhof gezüchtet werden. Von der Aufzucht bis zur Schlachtung – so schließt sich der Kreislauf. Der Hof kontrolliert die gesamte Wertschöpfungskette, so lohnt sich das Geschäft.

Haben die Tiere einen Namen? Oder verzichtet man lieber drauf, wenn man ihr Ende vor Augen hat?

Martin Müllerleile lacht: „Die Kinder geben unseren Tieren schon noch Namen, ich selbst eher nicht.“ Und doch trägt der Landwirt Sorge um jedes einzelne Tier, hat einen Blick für die Besonderheit, die es auszeichnet, begleitet es in seinem Werden. „Meine Kinder werden auf unserem Hof groß. Sicher bauen sie auch eine Beziehung zu den Tieren auf. Doch ihnen ist klar, dass die Tiere geschlachtet werden. Das ist für sie ganz natürlich. Schließlich lebt unsere Familie davon.“

Bis dahin genießt das liebe Vieh den Luxus moderner Tierhaltung. Dazu gehören auch 25 Hektar landwirtschaftliche Fläche, die den Tieren genug Bewegungsraum in freier Natur bietet. 300 Meter vom Hof entfernt liegt der moderne Außenklimastall, direkt am Wanderweg. „Der Stall ist offen. Das bedeutet natürlich auch, dass er im Winter Frost hat.“ Standen die Tiere früher den gesamten Winter im Stall, so sind sie heute Wind und Wetter ausgesetzt, spüren auf ihrem Fell jeden Sonnenstrahl.

Heute wird auf die artgerechte Haltung geachtet, die reine Nutztierhaltung ist weit entfernt. „Rinder sind Herdentiere. Es ist schön zu sehen, wie die Bullen einen Kreis um die Jungtiere ziehen, um sie zu schützen“, schwärmt der Landwirt. Zudem hat er im Stall eine Ecke für die Kälber eingerichtet, die nur sie erreichen. „Eine Holzlatte hindert die erwachsenen Tiere daran, dorthin zu kommen. Die Jungtiere genießen es, auch mal für sich allein zu sein.“

Bevor Martin Müllerleile den elterlichen Hof übernahm, leitete er zehn Jahre die Fleischabteilung in einem Lebensmittelgeschäft. Sein Arbeitstag war eng strukturiert. Die Vorgaben, nach denen gearbeitet wurde, waren klar. Schon damals hat ihm besonders der Kontakt zu den Kunden gefallen.

Als Arbeitnehmer in die Selbstständigkeit zu wechseln, das war für ihn spannend. „Da war niemand mehr, der mir sagte, was ich zu tun habe. Ab da hieß es: So wie ich denke und lenke, leite ich meinen Betrieb. Das gefiel mir, auch wenn ich damit eine große Verantwortung übernommen habe.“ Dabei ist dem Familienvater klar, dass man die Arbeit mögen muss, weil sie einem bei aller Vielseitigkeit auch eine Menge abverlangt.

Genug Zeit für Dinge, die wirklich wichtig sind

Ab und zu beobachtet Martin Müllerleile seine Kinder, fragt sich, wo ihre Stärken liegen, die es zu fördern gilt. Wer einmal den Hof übernehmen wird, ist offen. Christian hilft mit seinen 24 Jahren in der Vermarktung ebenso wie beim Schlachten, während Maria (21) eher zurückhaltend ist, was den elterlichen Betrieb angeht.

Nora (17) ist die Spezialistin in Sachen Kräutersalz, Honig und Tee. Einzig die Jüngste, die fünfzehn Jahre alte Anne, hat bereits angekündigt, dass sie einmal den Kasperhof übernimmt: „Eine richtige Arbeiterin, sie packt mit an, egal ob im Wald oder auf dem Feld.“

Dass er für solche Beobachtungen die Zeit hat, macht ihn glücklich. Denn seiner Familie, soviel steht für ihn fest, räumt er neben aller Arbeit so viel Raum wie möglich ein. Da behält er sich auch vor, die eine oder andere Arbeit zu vergeben. Zum Beispiel die 200 Festmeter Holz im eigenen Wald zu ernten.

„Zeit nehmen für Dinge, die mir wichtig sind, darauf lege ich Wert“, sagt Martin Müllerleile. Beim Blick in seine zufriedenen Augen wird klar, dass er darin die Kraft für sein Tagwerk schöpft – das dann auch gerne frühmorgens um fünf Uhr beginnen darf.