Kasperhof Schinkenspeck aus dem Schuttertal

 

Der Mann hat Schwein. Da ist einer Metzgermeister und Landwirt in neunter Generation und findet eine Frau, die er nicht nur liebt, sondern die als Betriebswirtin und Kräuterpädagogin auch seine Leidenschaft für Lebensmittel teilt.
Zum Ausdruck kommt das mit dem reichhaltigen Bauernvesper zur Begrüßung auf dem 1660 gegründeten Kasperhof in Schuttertal von Martin und Brigitte Müllerleile.

 

Wer nach den traditionellen Wurzeln des Kasperhof Schinkenspecks sucht, ist hier richtig.

 

Goldrichtig. Aber zum Räuchern kommen wir ja erst noch. Erst einmal genießen wir. Die leicht gerauchten Kräuterbeißer sind schon eine Wucht, dazu der hauchdünn geschnittene Kasperhof Schinkenspeck und frisches Bauernbrot.
Müllerleiles Schinkenspeck ist herrlich saftig, dezent gesalzen und kommt mit einem ausgewogenen Kräuter-Rauch-Geschmack daher. Wacholder und Knoblauch sind zu erahnen. Für den Wildschweinschinken dürfen noch Rosmarin, Hagebutte und Gundermann dazu. Beides kein Vergleich mit großtechnisch hergestelltem Schinken aus der Vakuumverpackung, der sicher alle einschlägigen Kriterien erfüllt, aber….na, ihr wisst es ja selbst.

Zum Kasperhof gehören 45 Hektar Land. 30 Hühner, 60 Schweine, eine Mutterkuhherde mit 60 Tieren, eine Katze, ein Hund und ein Turmfalke unterm Dach. Im klassischen Stil kann man davon nicht leben. Aber die Müllerleiles haben 1998 ein Schlachthaus gebaut und 2011 mit ihrem Hofladen in die Vermarktung investiert. Seither kommen Kunden aus Frankreich, aus Freudenstadt, Freiburg und sogar Pforzheim.

Auch die Mutterkuhherde wäre eine Geschichte wert. Weidegang von Mai bis Dezember, auf den Wiesen nur 3 Schnitte fürs Futter, damit es nicht nur Gras gibt, sondern auch wilde Kräuter (das Kräuterpädagogin Brigitte Müllerleile im Schuttertal auch Kräuterwanderungen anbietet, sei der Vollständigkeit halber erwähnt).

Wir aber kommen jetzt erst einmal bei den Schweinen vorbei. Die Ferkel sind draußen in ihrem Ferch und sehr neugierig. Im Moment sind es ganz normale Hausschweine (BWHybrid), das fettere Fleisch von schwäbisch-hallischen Landschweinen hat die Kundschaft (leider) nicht so gut angenommen. Die großen Schweine stehen gruppenweise im Stall auf Stroh und bekommen viel Rauhfutter von den Wiesen rund um den Hof.

Hier gilt das gleiche wie bei den Kühen: Werden die Wiesen nicht so oft gemäht, ist der Kräuteranteil höher. Schafgarbe, Wegerich – alles gut für den Geschmack. „Wir lassen die Schweine etwa neun Monate wachsen. Das ist etwa doppelt so lang wie man bräuchte, wenn man auf Turbo-Kraftfutter setzen würde“, sagt Martin Müllerleile.

 

„Aber man schmeckt einfach, wie die Tiere gehalten wurden.“

 

Die Green Mile ins Schlachthaus ist bei den Müllerleiles nur 60 Meter lang. Und alles geht ganz schnell. „Wir verarbeiten das Fleisch schlachtwarm“, sagt der Metzgermeister. Dadurch müssen weniger Zusatzstoffe in die Wurst, denn das natürliche Adenosin-Tri-Phosphat (ATP) macht künstliche Bindemittel wie Citrate oder Phosphate überflüssig. Nur ist ATP eben sehr flüchtig – zwei bis drei Stunden bleibt bei Schweinen für deren Verarbeitung. Mehr nicht.

Für Martin Müllerleile ist das Zeit genug. Den Knoblauch hat er schon geschnitten, Pfeffer und Wacholder sind geschrotet und mit deutschem Steinsalz vermengt. Die Müllerleiles machen ihren Schinken ohne Knochen und mit traditioneller Trockensalzung. Maschinen, die das Salz mit kleinen Nadeln ins Fleisch jagen, sucht man zum Glück vergebens. Außer den Gewürzen wird auch nichts zugekauft. Nicht einmal zur Hochsaison kurz vor Weihnachten.

Müllerleile: „Wenn wir keinen frischen Schinken mehr haben, ist es eben so. Ich kann doch nicht einen Qualitätsstandard halten wollen und dann irgendwo Teilstücke zukaufen, von denen ich nie ganz sicher sein kann, wie die Schweine gehalten und gefüttert wurden.“ Fünf Wochen bleiben Schinken, Schmal- und Breitseite im Salz, dann geht es in die gute Stube. Die Räucherkammer liegt im zweiten Stock des Wohnhauses und wird später dafür sorgen, dass unser Fotograf auch in Wochen noch seine Ausrüstung am Geruch erkennen kann.

Wir stehen übrigens mitten in der Wohnung der Müllerleiles. Links ist das Büro, rechts das Kinderzimmer, dazwischen eine schwarze Tür. Gut abgedichtet, aber man riecht es natürlich. Hier reift das Gold des Schwarzwalds. „Unsere Räucherkammer ist aus den 1950er Jahren. Heute würde man so etwas nicht mehr genehmigt bekommen“, sagt der Schinkenmacher und lächelt.

 

Der Rauch für die Kammer mit den dicht von Ruß überzogenen Wänden kommt aus dem Keller.

 

In den Ofen wandert Sägemehl vom Sägewerk im Ort. Fichte und Tanne aus dem Schwarzwald, dazu ein paar Kräuter. Über zwei Etagen muss sich der Rauch nach oben quälen und verliert dabei die Hitze und Schärfe. Für den Geschmack des Schinkens ist das wichtig – es verlängert die ganze Prozedur aber ungemein und verlangt Fingerspitzengefühl vom Metzger, „Wir müssen die Jahreszeiten ausgleichen“, sagt Martin Müllerleile. „Bei schwülem Sommerwetter räuchern wir tagsüber und lassen die Schinken nachts abkühlen.“

Drei-bis fünfmal in der Woche legt der Meister Feuer. Zwölf bis sechszehn Wochen bleiben die Schinken im stillen Kämmerchen – und wenn ihr nachrechnet: Das sind locker 50, 60 Portionen Rauch.

 

Direktverkauf

 

Der Kasperhof bietet im Hofladen neben dem Kasperhof Schinkenspeck auch frisches Rind-und Schweinefleisch an, Wurst im Darm und Wurst im Glas, dazu Eier, Holzofenbrot, Schnäpse und zu Weihnachten Nordmanntannen. Unbedingt probieren: kleine Leberwürste im Naturdarm, Wildkräuterbeißer (gibt es auch in der Marktscheune) sowie Schwarz- und Zungenwurst.

 

Text und Bild: https://www.tietge.com/wp-content/files/eBook/heimat/heimat_01_15/mobile/index.html?fbclid=IwAR0Dr5cr09o_ghwizSoShdIBThLeJRAwxJ18r6dXWQFE3PSp9NYiWFDIuU4#p=57